© Dachverband Filmschaffende Österreich
2. April 2020

Presseaussendung des Dachverbandes der Österreichischen Filmschaffenden

Wien, am 2. April 2020

ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT – COVID-19 IN DER FILMBRANCHE

 

FAKTEN

– Die Filmwirtschaft erzielt 2017 Erlöse und Erträge in Höhe von rund 1,4 Mrd. Euro (1.408 Mio. Euro) und beschäftigt 7.947 Mitarbeiter*innen, davon rund 5.000 direkt in der Herstellung.

– In der Kino und TV Filmherstellung sind 1.843 Unternehmen tätig. So sind es 3,5% der Produktionsfirmen (Kino- und TV-Film), die knapp 74,8% der Erlöse und Erträge erwirtschaften. Diese Verteilung ist seit Jahren konstant.

– Der ORF vergab 2018 Mittel in Höhe von 100,2 Mio. Euro, darin enthalten sind Beauftragungen von Fernsehproduktionen und Mittel die im Rahmen des Film/Fernseh-Abkommens für Kinofilme vergeben werden.

– Knapp ein Drittel der Filmschaffenden ist der einkommensschwachen Gruppe zuzurechnen und muss damit als armutsgefährdet gelten. Dieser Anteil ist etwa doppelt so hoch wie in der Gesamtbevölkerung und viermal so hoch wie unter der erwerbstätigen Bevölkerung.

– Der kulturelle Mehrwert vom Oscar abwärts lässt sich genauso wenig in Zahlen gießen, wie der finanzielle Gewinn der Wirtschaft durch den Werbewert österreichischer Filme im In- und Ausland.

OHNE FILMTECHNIK KEINE FILMKUNST, OHNE FILMKUNST KEINE FILMTECHNIK

Filmschaffen umfasst rein künstlerische, künstlerisch-technische und rein technische Berufe. Aus diesem Grund sind Filmschaffende zum Großteil beim KSVF nicht antragsberechtigt.

BEFRISTETE VERTRÄGE, GEMISCHTE VERSICHERUNGEN

Die Filmwirtschaft arbeitet praktisch zur Gänze mit befristeten Verträgen. Ein großer Teil der Filmschaffenden ist gezwungen, in beide Sozialversicherungssysteme einzuzahlen und dadurch auch unter normalen Umständen benachteiligt.

VON DER SOZIALVERSICHERUNG AUSGESCHLOSSEN

Viele Dienstverhältnisse sind tage- bzw. fallweise Beschäftigungen, obwohl nicht selten die damit verbundene Arbeitszeit wesentlich länger ist. Konsistente Versicherungszeiten können in vielen Fällen nicht erreicht werden. Der Wegfall der täglichen Geringfügigkeitsgrenze mit 1.1.2017 hat die Situation dahingehend verschärft, als dass mehrere geringfügige Dienstverhältnisse bei unterschiedlichen als auch bei gleichbleibenden Arbeitgeber*innen erst zu einer nachträglichen Vollversicherung führen (ca. 18 Monate später) und selbst dann bei gleichen Versicherungsbeiträgen kein Anspruch auf Arbeitslosengeld erlangt werden kann. Der Dachverband der Österreichischen Filmschaffenden hat auf diese Gefahr in den vergangenen Jahren wiederholt nachdrücklich hingewiesen.

UM VERSICHERUNGSZEITEN BETROGEN

Der Kollektivvertrag der Filmschaffenden erlaubt seit 40 Jahren die sog. 60-Stunden Woche, die mittlerweile Standard ist. Das bedeutet, dass Filmschaffende in einer Woche die Arbeit verrichten müssen, für die jeder andere 2 Wochen sozialversichert ist. Diese Versicherungszeiten fehlen in dieser Krise.

VERSCHOBEN = VERLOREN

Durch die Verschiebungen von Dreharbeiten aufgrund des Covid-19 Virus kommt es zu Terminkollisionen nach der Krise, die es dem einzelnen unmöglich machen, die Verluste auch nur ansatzweise wettzumachen. Für die/den Filmschaffende/n bedeutet jede verschobene Produktion einen verlorenen Arbeitsplatz.

VERSCHOBENE PRODUKTIONEN SIND GESPARTE MITTEL

Produktionen, die verschoben werden oder nicht beginnen können, kosten den ORF als Hauptauftraggeber kein Geld, während die Einnahmen aus den Rundfunkgebühren auch in der Krise weiter fließen. Daher ist der ORF gefordert, sich an dem Schaden, der der/dem einzelnen Filmschaffenden entsteht, zu beteiligen.

ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT

Corona trifft die Filmbranche aufgrund der atypischen Produktionssituation besonders hart, Fehler, die in der Vergangenheit gemacht wurden, rächen sich heute gnadenlos. Die Ministerien, welche die Agenden von Kunst & Kultur, Wirtschaft, Medien und Finanzen innehaben, und die Geschäftsführung des ORF haben heute das Ruder in der Hand. Sie sind gefordert, die Zukunft der Filmbranche zu retten!

 

FORDERUNGEN:

1. – Jeden Arbeitsplatz retten!
Einsetzen eines Notkollektivvertrages, der die Kurzarbeit in der Filmbranche flächendeckend möglich macht. Kurzarbeit muss bei allen laufenden Produktionen, an denen der ORF beteiligt ist, aus den Mitteln des ORF unterstützt werden. Zusätzlich muss der ORF mit Bürgschaften für die Liquidität der betroffenen Unternehmen sorgen.

2. – Anerkennung der Abhängigkeit der Neuen Selbstständige Kurzarbeitsgeld für EPUs und Neue Selbstständige, welches vom Produzenten gemäß der bestehenden mündlichen und schriftlichen Vereinbarungen ausbezahlt und von den zuständigen Ministerien und dem ORF finanziert wird.

3. – Anpassung der Auftrags- und Zahlungsmodalitäten für Drehbuchautor*innen. Drehbuchautor*innen gehen in Vorleistung. Erhebliche Teile ihres Honorars werden erst bei Drehbeginn fällig. Für die Filmprojekte, die derzeit von Verschiebungen der Dreharbeiten betroffen sind, wird die Zahlung des ausstehenden Drehbuch-Honorars zu einem früheren Zeitpunkt gefordert, z.B. zum ursprünglich angesetzten Drehstart-Termin. Durch die Verschiebung von Projekten wird auch die Drehbuch-Auftragserteilung sowie die Abnahme von (Zwischen-)Fassungen in die Zukunft verlegt. Daher sollen auch für diese Fälle die Auftrags-, Abnahme- und Zahlungsmodalitäten angepasst werden.

4. – Ein Hilfsfonds für alle Filmschaffenden
Einrichtung eines unbürokratisch zugänglichen Hilfsfonds für alle Filmschaffenden, die zurzeit nicht in einem Dienstverhältnis oder Auftragsverhältnis stehen und keinen Arbeitslosengeldanspruch haben oder aus diesem herausfallen. Die Höhe muss sich nach dem durchschnittlichen Jahresnettoeinkommen der letzten 3 Jahre richten und soll bei der Höhe des maximalen Arbeitslosengeldes gedeckelt sein.

Dieser Fonds muss allen Filmschaffenden gleichermaßen zugänglich sein, egal ob Künstler*in oder Techniker*in, Selbstständige – auch Drehbuchautor*innen – oder projektweise Angestellte. Durch den Durchrechnungszeitraum werden auch alle fall- und tageweise Beschäftigten in die Hilfsmaßnahmen integriert. (zB. Schauspieler*innen, Werbe- und Industriefilmer*innen, 2nd Units, SFX und Stunts, Geräuschmacher*innen u.v.a.).

Ein solcher Fonds kann nach dem Vorbild der Literar Mechana sofort bei der Verwertungsgesellschaft der Filmschaffenden VdFS eingerichtet und über diese abgewickelt werden – die Strukturen sind vorhanden und startklar. (siehe: https://literar.at/…/default-…/downloads/sf-richtlinien.pdf…)

Dieser Fonds muss mindestens ein Jahr aktiv bleiben, da schon jetzt Produktionen großflächig verschoben werden und jene Filmschaffende, die in der Postproduktion tätig sind, erst in einigen Monaten von der Krise voll getroffen werden.

5. – Vertriebswege sichern
Österreichische Filmschaffende brauchen auch nach der Krise Partner bei der Veröffentlichung ihrer Werke. Daher muss für die Erhaltung heimischer Programmkinobetreiber, Filmverleiher und Filmfestivals gesorgt und Abgeltung der durch COVID-19 verlorenen Mittel für Kinopremieren heimischer Filme gesichert sein.

 

Fabian Eder, Vorsitzender

Im Namen der Mitgliedsverbände
Verband Filmregie
Österreichischer Regieverband
Drehbuchverband
Interessengemeinschaft Österreichischer Dokumentarfilm
Verband Österreichischer FilmschauspielerInnen
Verband Österreichischer Kameraleute
Vereinigung österreichischer AufnahmeleiterInnen, Produktionsleiterinnen und ProduktionskoordinatorInnen
Verband Österreichischer FilmausstatterInnen
Fachgruppe Film- und Medienmusik/ÖKB
Österreichischer Verband Filmschnitt
Filmton Austria
Leuchtkraft Österreichischer Berufsverband für Filmlicht und Grip
Filmmakeup – Austrian Association of Film-Makeup, Hair and SFX Artists